Dem Rechtspopulismus geht es nie um Lösungen
Samstag, März 18, 2017
Ich bin
keine Künstlerin. Ich stelle mir allerdings vor, dass Kunst und
Unterhaltung wichtige Begleiter eines jeden Menschen sind. Und wenn es
nur das TV-Programm ist. Dort, wo man sich unterhalten lässt, wo man
Kurzweil erhofft und sich wohlfühlen möchte, duldet man keine
politischen Meinungen, die der eigenen signifikant widersprechen.
Darüber
hinaus hat ein Künstler eine sehr viel höhere Wahrnehmung - „Follower",
wenn man so will und im Neudeutsch bleiben. Eine hohe Reichweite
erzeugt einen hohen Reiz, seine eigene Meinung einzubringen.
So
wurden in den vergangenen Jahren die Leserbriefe und
Kneipen-Diskussionen von den Kommentarspalten des Internets abgelöst.
Das merke selbst ich im Kleinen. Ich veröffentliche regelmäßig Texte.
Insofern muss ich
damit rechnen, dass diese auch ausführlich kommentiert werden. Dabei bin
ich sicher nicht die einzige, die feststellt, dass in den vergangenen
zwei Jahren im Hinblick auf Leserreaktionen vor allem im Umgang mit den
Autoren die Umgangsformen entglitten sind.
Sofern
dieser sich positioniert, polarisiert er heute viel schneller als
früher. Ich zum Beispiel bin schon lange als „ahnungsloser Gutmensch"
abgestempelt. Ich wehre mich gegen Rechtspopulismus, gegen die AfD,
Donald Trump und andere Tendenzen, die unserer Gesellschaft
Menschlichkeit und Nächstenliebe entziehen wollen.
Der Ton ist unerträglich geworden
Darum
bin auch ich im Internet ein wenig zu einer Art Zielscheibe geworden,
an der sich die stets sehr engagierten Verteidiger des Abendlandes
abarbeiten können. Leider vermehrt in einer Form, die nicht auf dem Ziel
basiert, durch konstruktive Diskussion möglicherweise Verbesserungen
herbei zu führen. Sondern durch absurde Behauptungen, Beleidigungen und
Einschüchterungen, die ungeliebte Gegenposition mundtot zu machen.
Dem
Rechtspopulismus geht es nie um Lösungen, es geht um das Erzeugen von
Angst zur Generierung von Wählerstimmen. Vielleicht ist es daher gar
nicht verwunderlich, dass die Menschen, die dafür besonders empfänglich
sind, an einem vernünftigen Diskurs nur selten Interesse haben.
Stattdessen
wurde mir bereits unzählige Male gewünscht, ich solle doch auch mal
„vom Moslem vergewaltigt" werden. Dann würde ich anders denken über den
großen „Verfassungsbruch", den die „Hure Merkel" dem „Deutschen Volk"
angetan hat und der uns in den Abgrund führen wird.
Dass
ich nur zu naiv bin, einzusehen, dass wir in einer „BRD GmbH" leben und
die Agenda der eigentlichen Strippenzieher vorsieht, bald von
Islamisten in unserem eigenen Land überrollt zu werden.
Man empfiehlt mir,
lieber bei blöden Wortspielen und hübschen Selfies zu bleiben und
politische Themen den selbsternannten Experten von PEGIDA zu überlassen.
Man rechnet mir vor, wie lange es noch dauert, bis Deutschland
überwiegend muslimisch sein wird.
Man
prophezeit mir, dass ich als junge Frau eines der ersten Opfer sein
werde, wenn „der Syrer und andere Invasoren weiter unkontrolliert
einreisen" dürfen. Und natürlich - das darf nicht fehlen - man teilt mir
mit, dass „linksversiffte Bahnhofsklatscher" wie ich gleich „mit an die
Wand gestellt" werden sollten.
Der Ton ist also nicht rau geworden. Sondern unerträglich.
Warum
das so ist? Ich habe keine Antwort. Vielleicht war der Flüchtlingsstrom
der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Aktiviert durch
diese furchtbare Mischung aus Fake News, Panikmache, Nazijargon und
Rassismus, den die AfD kübelweise über unser schönes Land auskippt,
projizieren Menschen, die aus verschiedensten Gründen latent unzufrieden
sind, ihren Hass nun auf Fremde und alle, die Fremde nicht als
lebensbedrohliche Gefahr sehen.
In
der Anonymität des Internets stürzen sie sich jetzt auf alles, was die
AfD nicht als Retter unseres Volkes proklamiert. Ich sehe nicht, dass
sich das von alleine regulieren würde.
Wo
es früher zwei, drei Trolls gab, die mit provozierenden Kommentaren ein
paar gelangweilte Mitleser zu kleinen Kommentarspalten-Battles
verleiten konnten, verwandelt heute eine Armada aus „Ich bin ja kein
Nazi, aber ..."-Immigrations-Fachleuten, „Asylkritikern" und verbalen
Brandstiftern jeden Kommentarbereich unter politischen Texten in ein
Schlachtfeld aus hassmotivierten Statements, düsteren Zukunftsvisionen
und wüsten Beschimpfungen.
Wir haben eine Chance
Dagegen
wird man so schnell auch nichts tun können. In einer Zeit, in der es
selbst einem Milliardenunternehmen wie Facebook nicht gelingt, halbwegs
seriös Meldungen über Hetze, Beleidigungen und Nazi-Eskapaden auf ihrem
eigenen Netzwerk zu bewerten und anschließend zu löschen - was sollte
die Lösung sein?
Wir
werden die ausgeprägte Motivation der Rechtspopulisten und ihrer
Anhänger nicht bremsen können. Aber wir können, nein wir müssen, unsere
Meinung weiter kund tun. Wir müssen uns mehr denn je positionieren.
Auch,
wenn es vermutlich aussichtslos ist, eine jungen Frau, die in Freital
Angela Merkel mit einem gekreischten „Hau ab du Fotze!" begegnet, zu
bekehren, so gibt es doch noch viele, sehr viele Menschen, die aktuell
in einer Findungsphase sind.
Menschen,
die ebenfalls nicht mit allem zufrieden sind und Antworten suchen.
Auswege. Lösungen. Die womöglich mit der Politik in Deutschland und der
Welt unzufrieden sind. Die sich nicht richtig vertreten fühlen.
Diese Menschen kann
man erreichen. Man kann ihnen sagen, dass sie nicht alleine sind und das
vor allem die vermeintlichen Lösungen, die Rechtspopulisten anbieten,
ihre persönliche Situation in keinem Fall verbessern werden. Eher im
Gegenteil.
Man darf
das Feld nicht denen überlassen, die am lautesten sind. Das ist unser
Auftrag. Das müssen wir leisten und dürfen nicht locker lassen. Ich kann
nur an jeden Menschen, Kreativen, Künstler oder „Normalo" appellieren,
immer eine Stimme für eine offene Gesellschaft zu bleiben.
Was
passieren kann, wenn man bestimmte Entwicklungen ignoriert oder
unterschätzt, hat dieses Land in seiner Historie bereits erfahren
müssen. Dieses Mal haben wir die Chance, eine Wiederholung zu
verhindern. Lasst sie uns nutzen!
Beitrag erschienen auf Huffingtonpost.de