Die nächtliche Autobahn durch Belgien ist beinahe vollkommen leer. Ich habe von Freitag bis Sonntag etwa 56 Stunden durchgearbeitet und dabei lediglich hin und wieder mal verschämt in einer Ecke ein paar Minuten die Augen zu gemacht. Dank meines eher melancholischen Musikgeschmacks ist „¡Happy Birthday Guadalupe!“ von den Killers noch das am meisten wach machende Kleinod auf meiner iPhone Playlists und entsprechend wenig trägt die musikalische Untermalung dieser Nacht zwischen Paris und Köln zu einem euphorischen Konzentrations-Hoch bei.
Die orange-geblichen Neon-Autobahnlichter flackern alle paar hundert Meter in mein Auto hinein, ziehen für den Bruchteil einer Sekunde durch den Innenraum, ehe sie die Heckscheibe wieder in die Nacht ausspuckt. Im Innenraum, umringt von dutzenden leeren Coffee-To-Go-Bechern und diversen zerknüllten Schokoriegelverpackungen, fühlt sich das an, als würde alle paar Sekunden jemand einen trüben Scheinwerfer an und aus knipsen.
Lichter der Einsamkeit
Ich erinnere mich an ein Museum, in dem ein winziger Raum nachgebaut war. In dem war es stockfinster und nur ein kleiner Holzschemel stand dort. Alle paar Sekunden blitzte ein ekelhaft grelles Licht auf und erlosch umgehend wieder. Als ich als kleines Mädchen mit meinem Vater dieses Museum besuchte – ich habe heute keine Ahnung mehr, wo das gewesen sein könnte – fand ich das eher lustig. Zu der gedanklichen Transferleistung, dass ein müder, verängstigter Gefangener durch diese Methoden an den Rande des Wahnsinns getrieben wurde, war ich damals noch nicht fähig.
Alleine in einem Auto auf einer einsamen Autobahn in einer Gegend, die ich nicht kenne und die ich nie kennen lernen wollte, fühlte ich mich natürlich keineswegs wie ein Gefangener. Den Rande des Wahnsinns sollte ich aber dennoch schon sehr bald erleben dürfen.
Motiviert durch das zusätzlich einschläfernde Rahmenprogramm von Bright Eye´s „First Day Of My Life“ entscheide ich, dass sich mein Mangel an Schlaf und Kaffee umgekehrt proportional zu meiner Fahrsicherheit verhält und steuere die nächste Raststätte an. Safety First gilt ja nicht nur bei der Prävention von ungewollten Schwangerschaften, sondern vor allem auch bei absehbaren Autounfällen. Immerhin schafft ersteres wenigstens noch Leben, während letzteres selbiges rauben könnte.
Coffee to Think
Zwei Kaffee und ein weitestgehend ungenießbares Sandwich später entscheide ich mich daher, mir schnellstmöglich ein Hotel in der Nähe zu suchen und kein weiteres Risiko für mich und die anderen nachtaktiven Autobahnliebhaber in Belgien darzustellen.
Ich zücke also mein iPhone. Während ich einem 1,60 Meter großen und etwa 170 Kilo schweren Trucker zusehe, der ein paar Meter vor mir aus seiner LKW-Kabine steigt und auf dem Parkplatz der Raststätte quasi nackt einige Turnübungen vollbringt, um dann drei Meter von mir entfernt an einen Strauch zu pinkeln, sehe ich: „249 neue Nachrichten“ auf der Facebook-Messenger-App. Freudig erregt denke ich, dass mein letztes Selfie sicher wieder Massen von wildfremden Facebook-Jüngern dazu veranlasst hat, mir säuselnde Liebeserklärungen in digitaler Form in meinem Postfach zu hinterlassen.
Was hätte ich doch darum gegeben, wenn es tatsächlich so gewesen wäre. Selbst diese billigen „Na Du? Bist ja echt ne Hübsche. Mal Lust zu telen?“-Nachrichten, bei denen man sich eigentlich nur fragt, ob von den 40.000 Mädchen, die der Verfasser schon auf diese Weise auf den unterschiedlichen Social Media Kanälen penetriert hat, jemals auch nur eine einzige mit „Klar, gerne, hier meine Nummer, Du Hengst!“ geantwortet hätte, hätte ich sofort getauscht. Aber zu spät. Die App war geöffnet und ich hatte erstmals Zugriff auf ein Potpourri an literarischen Ergüssen, gegen die sich ein Interview mit Lothar Matthäus wie ein Fachgespräch zwischen zwei Nobelpreisträgern liest.
Erstmals nach vielen, vielen Jahren Facebook entdeckte ich, dass es neben dem normalen Posteingang auch noch eine Kategorie „Sonstiges“ gibt. Fasziniert davon, dass ich offensichtlich jahrelang höchst lebenswichtige Nachrichten ignoriert hatte, weil ich geistig nicht fähig war, mir den richtigen Zugang auf Facebook zu suchen, vergaß ich den nackten Trucker, der drei Meter neben mir nun sein zartes Gebälk abschüttelte und war wieder hellwach. Perlen der Social Media Dialogkultur offenbarten sich mir. Es war alles dabei. Wirklich alles. Nacktbilderwünsche, Fotos von unbekleideten männlichen Geschlechtsorganen, Anfragen von dubiosen Agenturen, Schimpfkanonaden, warum ich mir wohl zu fein sei, jemanden als Freund anzunehmen – die gesamte Klaviatur.
Digitaler Dialog – Fluch und Segen der neuen Welt
Gerade, als ich fast fiebrig vor Vorfreude, dass mir nie wieder langweilig sein würde (weil ich nur in meinen „Sonstiges“ Ordner schauen und die wildesten, skurrilsten und surrealsten Nachrichten lesen könnte), gelange ich zu einem ganz besonderen Schatz. Einer Nachricht, die das aktuelle Elend in Deutschland, das aus einer Mischung aus fehlender Bildung, deplatziertem Stolz, konstruierter Angst und reichlich Hass auf alles Fremde rekrutiert wird, zu einem einzigen kleinen Text subsummiert. Ich lerne Chris Rehder kennen, der mir folgende Zeilen widmet:
Ja, Sie lesen richtig. Ich habe in dieser Nacht diesen Text etwa 5 mal gelesen. Ich war keineswegs fassungslos, weil mich jemand als „Fotze“ beschimpft. Das hat es auf Twitter auch schon gegeben, genau so wie im so genannten Real Life. Ich habe schon schlimmeres gehört. Auch die Unterstellung, ich würde mich von Bodyguards abschirmen lassen, damit „der Asylant“ mich nicht vergewaltigt, aber dass Chris Rehder hofft, dass das bald nachgeholt wird, schockt mich zwar auf eine gewisse Weise, haute mich aber nicht um. Es entsetzte mich auch nicht in meinem Empfinden als Frau oder in meiner Überzeugung dessen, dass man so was niemals jemandem wünschen würde. Ich war einfach unfähig, etwas klares zu denken, weil ich mir bis zu dieser Nacht auf einem Autobahnrastplatz in Belgien einfach nicht vorstellen konnte, dass es wirklich Menschen gibt, die so etwas denken, solche Sätze aufschreiben und sie dann an jemand anderen schicken. Jemanden, den sie weder kennen, noch jemals mit ihm gesprochen haben.
In dieser Nacht war diese Nachricht schon ein paar Tage alt, aber dennoch durchaus noch aktuell. Was Chris Rehder bewogen hat, mir diese Zeilen zu widmen, ist mir bis heute unklar. Auch ein „deutsch russe Daniel“, auf den er sich offensichtlich bezieht, ist mir unbekannt. Es wird ein Rätsel bleiben.
Community-Management aus der Hölle
Bekannt allerdings ist mir, dass mir Facebook in seinem Community-Management in den vergangenen Monaten immer mal wieder äußerst unangenehm aufgefallen ist. Es werden Bilder gelöscht, weil der Ansatz einer halben weiblichen Brustwarze zu sehen ist. Mal abgesehen davon, dass jeder 4-jährige heute im Internet mit drei Klicks Videomaterial finden kann, in dem jede auch nur ansatzweise erdenkliche Sexualpraktik dargeboten wird, ist das natürlich albern in fast jeder denkbaren Form. Aber ich hatte das akzeptiert. Wenn ich ein Haus habe, mache ich da die Regeln. Und wenn ich sage, okay, draußen ist Sodom und Gomorrha, aber hier in meinen hübschen vier Wänden, da bleibt jeder angezogen und es gibt auch keine Drogen und wir gucken alle brav Musikantenstadl, während wir Eisbein mit Sauerkraut essen, bis die Antibiotika im Industriefleisch uns die Zukunft zu einem so krankheitsüberschatteten Szenario machen, dass wir uns wünschen würden, Andy Borg würde uns statt dessen jeden Morgen gemeinsam mit dem dicken Trucker aus dem LKW gegenüber mit einem nackt vorgetragenen „I´ve Been Looking For Freedom“ wecken, dann ist das fein. Mein Haus, meine Regeln.
Jeder kann in seinem Haus machen, was er will. Ich kann das bescheuert oder weltfremd finden, aber letztendlich geht es mich nichts an. Ich kann dann entscheiden, ob ich weiter zu Besuch komme, oder ob ich lieber wegbleibe. Fairer Deal.
Irgendwann schob sich aber dann mehr und mehr die steigende Anzahl an Flüchtlingen in die Nachrichtenspalten Deutschlands und mit ihnen der braune Abschaum der „besorgten Bürger“, die fortan die Kommentarspalten aller Medien und nicht zuletzt Facebooks beherrschten.
Auslähnder klaun mir Sosialleistunken und Jops
Anfangs, wie so ziemlich jeder, mit dem ich damals darüber redete, war ich fast ein wenig belustigt. Dass die geistige Armut der „Ich bin kein Nazi, aber …“-Fraktion stets dazu führt, dass ihre von Faktenignoranz, Hass, Intoleranz und Beleidigungen gespickten Postings zu einem hieroglyphischen Wirrwarr kaum entzifferbarer Buchstabensuppen verschwimmen, war auf eine makaber Art und Weise lustig. Ich spürte eine Mischung aus Mitleid mit den Verfassern, deren für mich unbegreifliche Weltfremdheit gepaart mit ihrem bildungsresistenten Lebensstil fast schon eine gewisse Faszination ausübte. Wie eine Sozialstudie in einem Milieu, das man eigentlich nur aus schlechten Filmen kannte.
Dann allerdings, recht schnell, lange vor dieser Nacht und Chris Rehder, kippte meine Stimmung nachhaltig. Wer mich auf den diversen Kanälen verfolgt, auf denen ich mich hin und wieder zu Wort melde, der wird es vielleicht bemerkt haben. Nur weil sie dumm sind, von Neid zerfressen und mit sich selber unzufrieden, sind sie keine Minderheit, die man weiter ignorieren kann. Denn es bleibt nicht bei den Beleidigungen und den bemitleidenswerten Schwächen in Logik, Orthographie und Bildung. Es eskaliert. Es sind heute keine anonymen Accounts von sozial inkompetenten Schwachköpfen mehr, die gezielt trollartig provozieren möchten. Es sind „normale“ Menschen, unsere Nachbarn womöglich, die mit ihrem Klarnamen posten und sich schon lange nicht mehr mit Beleidigungen zufrieden geben.
Wehret den Anfängen? Aber nicht mit Facebook
Es ist ein Aufstand der Unanständigen empor gewachsen. Sie stehen vor Flüchtlingsheimen und brüllen ihre von Gewalt und Feindlichkeit geprägten Parolen. Sie tummeln sich unter jedem Beitrag, der auch nur im Entferntesten etwas mit Asylpolitik zu tun hat, und freuen sich über die vielen, vielen Likes von den ganzen anderen Menschen, die ebenfalls glauben, weniger Flüchtlinge würden dazu führen, dass ihr verkorkstes Leben irgendwie lebenswerter würde.
Das macht mir Angst. Es macht mich aber vor allem auch sauer. Es macht mich fassungslos. Dumme Menschen wird es immer geben. Auch Neid wird es immer geben und Angst. Es wird Menschen geben, die lieber anderen etwas missgönnen, als sich selber etwas aufzubauen. Aber ich kannte es noch nicht in dieser Stringenz. Alle Dämme brechen. Menschen posten auf Facebook Kommentare, in denen sie den Flüchtlingen wünschen, dass sie „ins KZ gebracht“ werden. Dass man „Auschwitz wieder eröffnen“ sollte. Dass man an einem extrem heißen Tag zur Abkühlung statt mit Wasser lieber mit Flammenwerfern auf kleine syrische Mädchen losgehensollte.
Sie erfinden Sachverhalte, die jeder Wahrheit entbehren und finden hunderttausende, die diese „Fakten“ weiter verteilen und empört kommentieren. Sie behaupten:
- Asylbewerber bekommen Begrüßungsgeld und Handys geschenkt
- Asylbewerber bekommen das Geld nachgeschmissen
- Deutschland nimmt viel zu viele Flüchtlinge auf
- Asylbewerber kosten uns nur Geld und arbeiten nicht
- Alles nur Wirtschaftsflüchtlinge und Schmarotzer
- Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg
- Ausländer erhöhen die Kriminalitätsrate
- Wir werden überfremdet
- Bald darf man nicht mehr in die Kirche, es gibt nur noch Moscheen
- Wir leben hier bald nach der Scharia
- Wir können doch nicht die ganze Welt aufnehmen
- Asylbewerber sind gewalttätig und vergewaltigen unsere Frauen und Kinder
- Asylbewerber erhalten mehr vom Staat als unsere Hartz-IV Empfänger und Rentner
- Zuwanderer gefährden unseren Sozialstaat
- Unsere Kultur geht zugrunde
Ich könnte die Liste noch umfangreich erweitern, und weiterhin wäre keine dieser Behauptungen wahr. Es ist müssig und würde diese Kolumne um weitere 20 Absätze verlängern, jetzt die Unrichtigkeit jedes dieser Punkte mit Fakten zu untermauern. Auf Anfrage mache ich das aber gerne und ausführlich – immerhin beklage ich mich ja gerade selber darüber, dass absurde Erfindungen als Fakten verkauft werden.
Dumme wird es immer geben
Aber was hat das jetzt mit Facebook zu tun? Ich sage: Alles. Natürlich, Facebook ist nicht schuld daran, dass sich in Deutschland ein gefährlicher Bodensatz von Neo-Nazis unter dem Deckmantel des politisch enttäuschten, „das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen“-Bürgers, der sich doch nur Sorgen macht um unsere Kinder und Rentner und Kultur formiert. Aber sie könnten viel dagegen tun – und versäumen es. Ignorieren es. Lassen es zu.
Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten. Dass man mal etwas doof findet, was ein anderer super findet. Und umgekehrt. Dass man mal ein Auge zudrückt, wenn jemand mal über das Ziel hinaus schießt. Dass man nicht gleich jeden rausschmeißt, dem mal in einem Moment der Erregung eine Beleidigung rausrutscht.
Es geht um Dinge, bei denen sogar das Grundgesetz ziemlich eindeutige und unmissverständliche Vorgaben aufstellt. Natürlich, Facebook ist kein Deutsches Unternehmen. Aber das ist McDonald´s auch nicht. Und kann sich jemand vorstellen, dass ein Kunde in eine Filiale von McDonald´s spaziert, mit Hitlergruß zwei große arische Pommes mit urdeutscher Mayo bestellt, dem hinter ihm stehenden Ausländer empfiehlt, sich zum vergasen in ein KZ zu begeben, weil er nur Geld schnorren und Kinder vergewaltigen möchte und dann in Ruhe sein Essen verspeisen kann? Ich nicht.
Bei Facebook ist das möglich. Und schlimmeres.
Facebook – Die Social Media Garage der Schande
Ich möchte noch ein Beispiel zur Veranschaulichung ins Rennen schicken. Stellen Sie sich vor, sie haben einen Nachbarn. Der hat eine große Garage mit einem großen Garagentor. Hin und wieder kleben übermütige Jugendliche aus der Nachbarschaft Poster mit nackten Frauen an das Garagentor. Morgens reisst der Besitzer sie ab, weil er sagt: Hier laufen auch kleine Kinder vorbei und überhaupt: Nackte Frauen haben an meiner Garage nichts zu suchen. Dann aber fangen irgendwelche minderbemittelten Schwachköpfe an, „Ausländer raus!“ und „Baut die KZs wieder auf!“ an die Garagenwand zu sprühen. Und Ihr Nachbar? Der, der keine Nacktbilder mag, weil Kinder sie sehen könnten? Sie sind sich sicher, dass er komplett ausrastet, die Sprüche übermalt und Überwachungskameras installiert, um die rassistischen Brandstifter beim nächsten mal zu überführen und anzuzeigen.
Aber was passiert? Ihr Nachbar betrachtet seine Garage, diskutiert mit anderen Nachbarn, die ihn auffordern, die Leute, die das gewesen sind, aufzuspüren und anzuzeigen. Und was passiert? Der Nachbar entscheidet, dass er die Sprüche nicht so schlimm findet und lieber weiter nach Postern mit nackten Brüsten sucht, damit er diese dann entfernen kann.
Und genau das macht Facebook. Obwohl sie nicht mal nach den Übeltätern suchen müssten. Sie bekommen sie auf dem Silbertablett serviert (gemeldet) und müssen sie auch nicht identifizieren. Sie haben ja alle Daten. Sie könnten sperren, löschen, verwarnen. Aber sie machen: Nichts. Aufforderung zum Mord, zur Hetzjagd auf Ausländer oder Massenvernichtung im Sekundentakt – Aber keinerlei Verstoß gegen die Facebook-Regeln.
Facebook – Verantwortungslos durch die Nacht
Und zum ersten mal beginne ich zu zweifeln, ob Facebook seiner Verantwortung gerecht wird. Schnell merkt man: Natürlich nicht. Und das macht fassungslos. Und traurig. Und irgendwie kann man es nicht glauben. Facebook, ein US-Unternehmen. Dem Land der Freiheit, dem Land, das gegen Nazis gekämpft und Europa von einem Deutschland befreit hat, das genau diese KZs gebaut und betrieben hat, die heute von „besorgten Bürgern“ wieder herbei gesehnt werden. Wie kann das sein?
Aber die Frage ist müssig. Marc Zuckerberg wird mir nicht antworten. Er wird sich niemandem erklären. Er wird einfach weiter machen mit dieser Policy, die es Volksverhetzern, Neonazis, braunem Abschaum und ideologisch verrotteten Menschenfängern erlaubt, ihre Lügen, ihre gezielten Falschmeldungen, ihre Hetze und ihre rassistischen Hassparolen bei Facebook zu platzieren und von unfassbar vielen anderen Facebook-Nutzern teilen zu lassen.
Und genau an dieser Stelle wird es brisant. Ist es eben nicht mehr ein Hausrecht. Wie das eines Garagenbesitzers, der trotz empörter und verwunderter Nachbarn Nazi-Sprüche duldet aber nackte Brüste entfernt. Es ist ein unsäglicher Akt des Schulterschlusses mit dem schlimmsten Abschaum braunen Gedankenguts.
Facebook – Der Steigbügel für braune Hetze
Facebook macht sich willentlich und sehenden Auges zum Steigbügel der übelsten braunen Hetze gegen Flüchtlinge. Auf Facebook versammeln sie sich, schaukeln sich mit propagandagetränkten Lügen gegenseitig hoch, platzieren ihre stumpfen Parolen in die Köpfe von frustrierten Versagern. Facebook macht sich zum Katalysator der Fremdenfeindlichkeit. Facebook lässt zu, fördert sogar den Aufstand der Nichtskönner. Den verbalen Exodus der intellektuellen Nachhut. Facebook rollt dem schlimmsten Albtraum aller denkenden Deutschen den roten Teppich aus: Die Macht der Masse der Idioten. Das Feuer ist entzündet, und es kann sich nur entfachen, wenn es die schwachen und enttäuschten und wütenden und gewaltbereiten irgendwie erreichen kann. Niemand entschließt sich alleine im Wohnzimmer dazu, Ausländer anzugreifen, verbal oder körperlich, während er Vivaldi hört. Man entschließt sich, Teil einer Bewegung zu werden, sich nicht alleine zu fühlen sondern stark. Und das geht nur über Facebook.
Facebook – Der Sargnagel der Integrität
Facebook könnte der Sargnagel der Deutschen Integrität werden. Ich sage: Keine einzige dieser unsäglichen Volksversammlungen vor Flüchtlingsheimen, bei denen sozial schwache Deutsche ängstliche Flüchtlinge beschimpfen, hätte mehr als eine Handvoll Teilnehmer, wenn diese sich nicht über Facebook gefunden hätten. Natürlich kann Facebook das Verabreden nicht verhindern. Ich fordere ja auch nicht, dass alle Mobilfunknetze abgestellt werden, damit Nazis sich keine WhatsApp mehr schreiben können. Aber durch die Politik, menschenverachtende Volksverhetzung zuzulassen, finden sich eben durch Facebook genau diese labilen Charaktere, von denen diese beschämenden Aktionen ausgehen, die mich bestürzt machen. Die mir jeden Stolz auf mein Land nehmen. Jeden Glauben an Politiker, von denen noch niemand richtig reagiert hat. Wenn ausgerechnet Sätze von Gregor Gysi die passendsten zur aktuellen Problematik sind, dann beginnt man zu ahnen, wie es um die Politik in Deutschland aktuell bestellt ist.
Facebook – Der Platz, wo Du Rassenhygiene fordern kannst, ohne belangt zu werden
Facebook ist in meinen Augen der wichtigste Helfer des Fremdenhasses in Deutschland. Ein Helfer, der Brüste verteufelt und Aufrufe zu rassenhygienischen Bearbeitung des Flüchtlingsproblems goutiert. Der größte, stinkendste Scheißhaufen der Social Media Portale. Ein global Player, ein Milliardenunternehmen ohne jedwedes Gespür für Integrität oder wenigstens verfassungsgerechter Definition von „Dialog“.
Um das Bild abzurunden, welche Auffassung zum Thema „erlaubt“ und „nicht erlaubt“ Facebook hegt, komme ich noch mal auf Chris Rehder zurück. Den sympathischen Nachrichtenschreiber, der mich so gerne „vom Asylanten vergewaltigt“ sehen würde. Nachdem ich den ersten Schock und die erste Wut über Facebook abgestreift hatte, entschied ich mich, die hübschen Zeilen von Chris Rehder mit der Öffentlichkeit zu teilen. Jede Menge meiner Facebook-Freunde meldeten ihn daraufhin bei Facebook, kontaktierten seinen ehemaligen Arbeitgeber und versuchten auf andere Weise, Menschen in der direkten Umgebung von Chris Rehder über seine verbalen Totalentgleisungen auf Facebook zu informieren.
What?
Und wie reagiert Facebook? Sie sperren das Profil. „Na also!“ werden Sie sagen. Aber Moment. Sie sperren nicht sein Profil. Sie sperren nicht Chris Rehder. Sie sperren: Mich. Mein Profil. Plötzlich kann ich mich nicht mehr einloggen bei Facebook. Auf Twitter erreichen mich Nachrichten, dass mein Facebook-Profil gelöscht ist. Ich glaube zunächst an einen Scherz, dann an einen Fehler.
Chris Rehder kann weiterhin unbehelligt trotz massiver Meldungen Nazi-Gedankengut durch seine Timeline kotzen und anderen Facebook-Nutzern drohen, sie wären eine „Fotze“ und dass „der Deutsche nicht vergessen wird, dass Du die Asylanten unterstützt“.
Dann: Eine Nachricht von Facebook. Jemand (Chris Rehder? Keiner weiss es), hat mich wenige Minuten nachdem ich die Nachricht von Chris Rehder veröffentlicht habe, bei Facebook gemeldet. Mein Name „Stephanie Marie“ wäre nicht mein echter Name. Ich würde erst wieder entsperrt werden, wenn ich meinen Personalausweis scanne und einsende. Ich solle das als besonderen Service von Facebook auch für meine Sicherheit sehen. Facebook würde alles tun, damit Facebook ein sicherer Platz ist. Also, sicher vor nackten Brüsten und vermeintlich falschen Namen. Nicht vor gewaltbereiten Nazis und Euthanasie-Fans.
Facebook – Hitlerverehrers Helfer
Ich schreibe diese Kolumne nicht, weil Facebook mich gesperrt hat. Ich war schnell wieder „entsperrt“. Ich schreibe sie nicht mal, weil Facebook in diesem Abwasch auch gleich noch die großartige, schlaue, wunderschöne und einzigartige Jazz (https://twitter.com/IchBinJazz) mit gesperrt hat, die die Ergüsse von Chris Rehder auf meiner Timeline kommentiert hatte (und die übrigens immer noch gesperrt ist!). Ich war keine 24 Stunden und 4 Mails an Facebook wieder frei geschaltet – Und Chris Rehder und seine mittlerweile zu hunderttausenden ihre Nazigedanken auf Facebook feilbietenden Mitstreiter im Geiste waren natürlich immer noch da. Aktiver als je zuvor. Ihnen ist keine Mail ins Haus geflattert.
Facebook hält nackte Brüste und den Namen „Stephanie Marie“ offensichtlich für gefährlicher als einen Aufruf, Asylanten „Löcher in den Kopf“ zu schlagen oder nach Auschwitz zu deportieren und dort „die Duschen wieder anzustellen“.
Ich halte Facebook daher für gefährlicher als alle grenzdebilen YouTube-Videos der NPD, PEGIDA-„Demonstrationen“, BILD-Stimmungsmache und Nazi-Deppen zusammen. Für weitaus gefährlicher. Wenn sich nichts ändert, wird Facebook als der bedeutendste Helfer einer Gesinnungskultur in die Geschichte eingehen, die jeder klar denkende Deutsche und jeder klar denkende Mensch als die größte Katastrophe der Nachkriegsgeschichte einordnen wird und die Deutschland in der Zukunft sehr, sehr schlecht zu Gesicht stehen wird.