Hirntot auf dem Mittelmeer – Die Aida Story Teil 3

Dienstag, April 12, 2016

Kulturlos auf dem Kreuzfahrtschiff

Jede Trilogie geht mal zu Ende. Die meisten, so wie diese auch, überraschender Weise mit dem dritten Teil. Die Älteren unter Ihnen, die vielleicht noch ein großes Latinum oder noch viel besser: das Greacum erworben haben, könnten diesen Zusammenhang jetzt sicherlich trefflich über das „Tri“ in der Vokabel „Trilogie“ ableiten.

Ich kann das auch, obwohl ich nur das normale Latinum machen konnte, das landläufig gerne auch als „Sophia Thomalla Latinum“ bezeichnet wird. Denn ich bin zwar nicht so gut im griechischen, aber dafür im essen. Und wer so viel in fremden Städten unterwegs ist wie ich, und dabei als Vegetarierin sicherheitshalber meist in italienischen Restaurants einkehrt, bei denen man zur Not immer noch Pizza Margherita oder Spaghetti Napoli bestellen kann, der wird es kennen: Tris di Pasta.

Was sich zunächst für den Laien so anhört, als würde eine holländische Mutter ihren Sohn ermahnen, bitte sein Abendbrot nicht zu vernachlässigen, ist nämlich in Wirklichkeit so etwas wie ein Dreierlei. Eigentlich eine Trilogie.

What?

Wenn Sie bis hier hin das Gefühl haben: Ich habe nicht die leiseste Ahnung davon, wo die Autorin hin möchte, sei Ihnen gesagt: Sie selber weiss es auch nicht. Sie kann Sie aber zumindest dahingehend beruhigen: Es wird nicht um Kochrezepte gehen. Immerhin.

Diese Trilogie also, die so launisch auf dem Mittelmeer begann und sich so romantisch fortsetzte findet heute hier ihr Ende. Das Schiff kehrt in den Hafen zurück, die Segel werden eingeholt, der Kapitän bittet zum letzten Captain´s Dinner.

Previously on „Hirntot auf dem Mittelmeer“

Sie erinnern sich sicher an den lustigen Harald Schmidt für Pauschaltouristen, unseren Freund Willi Arsan. Ich gebe zu, ich musste jetzt selber wieder googlen, wie der neue Star am Late Night Himmel heißt, einen so bleibenden Eindruck hatte er hinterlassen. Das Googlen von Willi Arsan – oder wie die TV-Branche ihn nennt: „Wer?“ – lohnt sich allerdings. Er imitiert nicht nur gekonnt die Raute des Schweigens, sondern ist auch auf seiner eigenen Startseite so gekleidet wie ein Bestattungsunternehmer.

Wir fahren wieeeeeder mit der Aiiiiidaaaaa.

Apropos Bestattungsunternehmer: Kommen wir zur Altersstruktur einer durchschnittlichen Kreuzfahrt mit der Aida. Dort, wo sich dritte Zähne und Camp David Hemden die Klinke in die Hand geben, ist der deutsche Urlauber zu Hause, für den es an der Nordsee nicht exotisch genug ist und auf Mallorca zu heiß. Und der natürlich auch an Kultur interessiert ist. Jedenfalls so viel Kultur, wie man für 49,00 € Landausflugsgebühr eben mitnehmen kann, wenn man in klimatisierten Reisebussen vom Schiff zu einer Kathedrale gefahren wird, wo man dann für die Daheimgebliebenen viele hübsche Fotos mit sich und einem offensichtlich historisch irgendwie relevanten Gebäude macht. Die Jüngeren unter Ihnen werden dieses Phänomen in etwas abgewandelter Form als „Selfie“ kennen. Auch dabei werden oftmals Ruinen fotografiert, allerdings sind diese dann im Vordergrund zu sehen und halten ein Handy in der Hand.

Eine große Hilfe sind dabei die fortschrittlichen Geo-Taggings in den Fotos, die moderne Kameras von heute liefern. So kann man dann zu Hause, wenn die Enkel einem zum 70. mal erklärt haben, wie man Fotos von Smartphone auf den PC bekommt, diese Fotos sogar korrekt beschriften. Bei all den kulturellen Hotspots, die man bei einer Reise mit der Aida so mitnimmt, kommt man da schon mal durcheinander. War das jetzt Marseille, Genua, Barcelona, Mallorca oder Neapel? Egal, Hauptsache Italien.

Kulturhopping

Am Abend, zurück auf der Aida, nach einem anstrengenden Tag zwischen Reisebussen, Reiseführern, Menschen, die eine komische Sprache sprechen und Souvenirkäufen für Tante Helga, freut man sich schon auf das gemütliche Buffet, die dezente Helene Fischer „Musik“ im Hintergrund und die Lästerei über die Mitreisenden, die den Tag nicht an Land verbracht haben, sondern lieber das reichhaltige Programm der Aida genießen wollten.

Denn natürlich bietet die Aida ein Potpourri von sensationell attraktiven Betätigungsfeldern an. Und da sind Flamenco-Tanzkurse mit philippinischen Tanzgöttern und Sushi-Workshops, bei denen primär erklärt wird, wie man das rote, mit den chinesischen Schriftzeichen für „dumm aber nett“ bestickte Haarband knotet, damit man wenigstens wie ein richtiger Sushi-Koch aussieht erst der Anfang). Aber bei den Kultur-Attachés aus Erfurt und Grevenbroich, die an ihrer alljährlichen Aida-Kreuzfahrt eben auch sehr schätzen, dass sie zum 17. mal von ihrem Aida-Reiseführer durch die Sagrada Familia in Barcelona gehetzt wurden, stößt das Nutzen dieser Angebote ausgerechnet abseits der Seetage natürlich auf kollektives Unverständnis. Und das natürlich zu recht. Rohen Fisch in Pappreis einrollen kann man nämlich auch zu Hause. Aber noch nicht fertig gestellte, bedeutende Gebäude der Geschichte, an denen seit über 130 Jahren gebaut wird, sieht man nicht jeden Tag. Jedenfalls nicht, wenn man nicht in Hamburg lebt und hin und wieder an der Elbphilharmonie vorbei kommt.

Late Hirn Show

Den Abend lässt man dann mit Willi Arsans „Late Night Show“ ausklingen, der an Abenden wie diesen immer ein paar besondere Schmankerl im Programm hat. Gerne lässt sich Willi zum Beispiel von einem willkürlich aus dem Publikum rekrutierten Aida-Gast im Erschmecken von Nahrungsmitteln herausfordern. Dabei assistiert ihm dann der Catering-Chef der Aida als Moderator, da Willi selber ja seine Augen verbunden hat. Das ist in etwa so, als wenn Harald Schmidt früher den Parkwächter gebeten hätte, sein Stand-Up-Intro zu übernehmen. Und dabei rede ich nicht von Manuel Andrack. Für die vom Gratis-Tischwein beim Abendessen, gegen den Tetra-Pak Weinschorlen vom Discounter wie ein Mouton Rothschild 1945 munden, schon leicht angeheiterten Aida-Jünger reicht es vollkommen.
 
Das Highlight des Abends ist der Moment, an dem der Catering-Chef mit einem verschwörerischen Blick in das grölende Publikum seinem Geschmacks-Probanden Willi mit den Worten „Zum Abschluss noch ein bisschen Gemüse“ einen Löffel mit extra scharfem Wasabi hinhält, das der weiterhin durch Augenbinde gehandicapte Arsan ahnungslos mit einem einzigen Happen durch seinen Mund spült. Mit einem spontan heraus geschrienen „Verdammte Scheisse, was ist denn das?“ quittiert Willi Arsan dieses kulinarische Highlight und die Masse im Adia Atrium tobt. Der Catering-Chef wiegt sich in Unschuld und hebt abwehrend die Hände. Wahrscheinlich ist er schlimmere Ausdrücke gewohnt, wenn es darum geht, sein feilgebotenes Essen zu kommentieren.

Oktoberfest auf dem Mittelmeer

Nach diesem sensationellen Kleinod der deutschen Unterhaltungsgeschichte geht Willi sich erst mal den Mund ausspülen und der Großteil des Publikums stürmt ins Brauhaus, um auf keinen Fall die ersten Schunkel-Einlagen zu verpassen: Das Trio Alpenrausch stimmt nämlich schon Kreuzfahrt-Klassiker wie „Die kleine Kneipe in unserer Straße“ an. Einige Gäste sind zu dieser vorgerückten Stunde (21:00 Uhr Ortszeit) bereits etwas derangiert, fangen sich aber wieder, als der Kellner zum Abkassieren kommt. Dass die 15 Weizenbiere, die man hier verköstigt hat, damit aus dem Brauhaus-Restaurant der Aida mitten auf dem Mittelmeer zwischen Zypern und Malta simmungsmäßig so was wie ein kleiner Musikantenstadl wird, jetzt plötzlich etwas kosten sollen, war dem einen oder anderen Peter Alexander-Verehrer offensichtlich nicht ganz klar. „Von wegen All Inclusive“ höre ich es rumoren. Und: „Das werde ich aber in einem Leserbrief thematisieren. So geht es nicht!“

Als vor meinem geistigen Auge der Film abläuft, wie sich Karl-Eberhard aus Oberschleißheim nach seiner Rückkehr von der Aida an seine Schreibmaschine setzt und einen Wutbrief formuliert, entsteht der Gedanke, diese Erlebnisse in einer Aida-Trilogie für die Nachwelt fest zu halten. Karl-Eberhard wird sie vielleicht nicht lesen, aber er hat ja auch schon genug mit der Antwort der Aida zu tun, in der ihm der Unterschied zwischen Buffet-Restaurants und Á la carte Restaurants erklärt wird. Und Karl-Eberhard sagt dann zu seiner Gertraut: „Die sind doch bekloppt bei der Aida. À la carte in einem Brauhaus. Was kommt als nächstes? Eine Filiale der Nordsee-Restaurants am Ostseestrand?“ Und Gertraut dann sagt: „Ach ist doch egal, Karl-Eberhard. Reg Dich nicht auf. Denk an Dein Herz. Nächstes mal fahren wir wieder mit der MS Europa! Da fährt manchmal auch der echte Harald Schmidt mit. Habe ich in der Freizeit Revue gelesen.“

Schwerer Fehler, denke ich. Willi hat für das nächste Jahr schon ein paar ganz große Nummern im Programm und die gibt es nur auf der Aida.

Tristesse Royale

Unbehelligt von meinen Zukunftsgedanken für Karl-Eberhard und Gertraut läutet das Trio Alpenrausch gerade den Endspurt ein. Lauthals bahnt sich der aus 60 Kehlen gesungene Gassenhauer „Lebt denn dr alte Holzmichl noch?“ den Weg auf das Oberdeck. Dort, wo tagsüber jeder Ansatz von Sonnenschein zu einem Grabenkampf um Sonnenliegen führt, wirkt es nachts eher trist. Ein paar Fahnen klatschen rhythmisch im Wind gegen ihre Masten, als würde irgendwo in den Rettungsbooten ein wilder Aida-Göttergatte seiner Frau in wilder Urlaubs-Extase die nackten Arschbacken versohlen.

Verträumt treibt der abendliche Mittelmeerwind eine weiße „Hard Rock Café Barcelona“ Plastiktüte über das Deck, die sich nach einer Weile beinahe romantisch um die Knöchel einer Aida-Fahrerin legt, die das Rauchverbot im Inneren der Aida in die dunkle Nacht getrieben hat. Die Tüte ist leer und wirkt orientierungslos und verloren auf diesem großen Schiff. In sofern ähneln die Tüte und ich uns ein wenig. Dass Tüten mich so fasziniert haben, ist auch schon länger her. Das muss in der Zeit gewesen sein, als die total ausgeflippten Hippies auf meinem Gymnasium plötzlich Marihuana entdeckten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Niemals geht man so ganz …

Und bevor ich diese Kolumne jetzt in Anbetracht ihres Intros, das darüber aufklärte, dass es sich um das Ende der Aida-Trilogie handelt, unnötig in die Länge ziehe, verbleibe ich mit der Info, die mich heute eigentlich zu diesem dritten Teil der Aida Story motiviert hat: Meine Eltern haben sich gemeldet. Sie fanden die Fahrt auf der Aida letztes mal so großartig, dass sie im Dezember zu einer noch längeren Kreuzfahrt auf der Aida laden. Das Grauen hat also noch kein Ende. Also, jedenfalls für Sie, die Techblog-Leser-Szene: Getreu dem Vorbild „Star Wars“ wird es also eine unverhoffte Fortsetzung geben. Drei weitere Episoden. Mit neuen Schauspielern und großem Aufwand.


Seien Sie also gespannt, wenn es wieder heisst: „Hirntot auf dem Mittelmeer – Reloaded“. Auf AIDAsen

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